Die feministische Ethik hat mit verschiedenen Forschungsergebnissen belegt, dass die männliche Sozialisation Vorbild in unserer Gesellschaft ist. Kohlbergs Stufenmodell zur moralischen Entwicklung zeigt dies ebenfalls. Auch wenn Carol Gilligans Einteilung der Moral in eine männliche, gerechtigkeitsorientierte und in eine weibliche, fürsorgliche Moral geschlechtsspezifische Unterschiede voraussetzt, es bei beiden Geschlechtern Ausnahmen gibt und sie folglich nicht allgemein gültig ist und Menschen oft eher situations- als personenbezogen handeln, stellt Gilligans Ansicht immerhin eine Erweiterung der gegenwärtigen männlich orientierten Moral dar.
Eine weitere Erweiterung strebt die feministische Ethik an. Sie geht aus dem Feminismus hervor, der sich zum Ziel gesetzt hat, patriarchale Strukturen zu brechen. Die Gendertheorie besagt, dass Menschen nicht nur ein natürliches, sondern auch ein soziales Geschlecht haben. Eine Erweiterung der gegenwärtigen Moral besteht insofern, als die Annahme besteht, das soziale Geschlecht sei von Umwelteinflüssen beeinflussbar und auch manipulierbar. Beständen gesellschaftlich verbreitete Stereotype, so könnten diese einen Einfluss auf das soziale Geschlecht haben. Unser moralisch-sittliches Verhalten kann bewusst angepasst werden und den zwischenmenschlichen Umgang in der Gesellschaft verbessern, wenn der Einfluss von Stereotypen allgemein bekannt ist. Solange davon ausgegangen wird, dass gewisse Sachverhalte aufgrund von Naturgesetzen bestehen, kann nichts an den Sachverhalten geändert werden. Zum Beispiel wird die Sozialisation des männlichen und des weiblichen Geschlechts durch geschlechtsspezifische Vorurteile beeinflusst. Wird dies berücksichtigt und dem entgegengewirkt, erweitert sich der Bereich der Möglichkeiten für viele Menschen, da durch das Umfeld weniger Normen indirekt vermittelt werden, die es zu erfüllen und zu befolgen gilt, um gesellschaftlich anerkannt zu werden.